Sonntag,
5. Juni 2016
Agilität
bedeutet, Menschen ernst zu nehmen. Es wichtig, dass sie für die Ziele des
Auftraggebers den Weg selbst festlegen und gestalten. Das funktioniert in der
Softwareentwicklung sehr gut. Aber geht das auch in der Schule? Ja! Der
Chemielehrer Willy Wijnands macht das seit Jahren. Wir haben seine Klassen und
ihn Anfang Mai in den Niederlanden besucht. Das war wirklich beeindruckend. Am
08. und 09. Juni 2016 kann man Willy Wijnands und seine Schüler übrigens in
Stuttgart treffen.
Von
Scrum zu eduScrum
Willy
hat durch seinen Schwiegersohn Scrum kennen gelernt. Dieser hatte ihm von einer
Scrum-Schulung erzählt. Anschließend hat er sich überlegt, wie er Scrum nutzen
kann, damit seine Schüler besser lernen.
In
agilen Projekten gibt der Auftraggeber vor, welche Ziele das Umsetzungsteam
erreichen soll. Das Team überlegt sich dann selbst den besten Weg dafür.
In
der Schule geht das auch. Hier ist der Lehrer derjenige, der die Ziele vorgibt.
Die Schüler werden in kleine Teams von 4 Personen eingeteilt. Dabei wird darauf
geachtet, dass in den Teams verschiedene Stärken vorhanden sind. Sie werden
nicht auf Basis von Freundschaften, sondern auf Basis von Fähigkeiten gebildet.
Willy
hat auch die Meetings von Scrum übernommen. Der Rhythmus ist allerdings ein
anderer. Während der Scrum Guide
eine maximale Sprintlänge von 4 Wochen (oder einem Monat) empfiehlt, dauert ein
Sprint bei eduScrum ungefähr 2 Monate
(16-24 Schulstunden). Das entspricht ungefähr der Zeit, die die Schüler
brauchen, um ein Thema zu bearbeiten.
Wie
sieht eduScrum konkret aus?
Willy
war so freundlich, uns einzuladen. Im Mai 2016 sind wir mit einer kleinen
Delegation zu seiner Schule, das Ashram College,
nach Alphen an den
Rijn gefahren.
Wir
waren zwei Tage an der Schule und haben an mehreren Chemie-Stunden
teilgenommen. Das niederländische Schulsystem funktioniert etwas anders als das
deutsche. Die Schülerinnen und Schüler waren 13-15 Jahre alt. Wir haben darauf
verzichtet, Fotos von den Schülern zu machen.
Zunächst
fällt auf, dass die Tische in Willys Klassenraum anders stehen. In den anderen
Zimmer waren ordentliche Reihen zu sehen. Alle Kinder blicken nach vorn zum
Lehrer. Bei Willy gibt es Gruppentische, an der 4-6 Schüler sitzen.
Willys
Klassen waren zum Zeitpunkt unseres Besuchs schon 6 Wochen früher mit dem
regulären Stoff durch. Die Zeit bis zu den Ferien sollte nun sinnvoll genutzt
werden. Ein Teil der Schüler hat auch im nächsten Schuljahr Chemieunterricht.
Diese Gruppen sollten sich schon mit dem Stoff des kommenden Jahres vertraut
machen. Der andere Teil hat Chemie abgewählt. Diese Schüler bekamen die
Aufgabe, für die Klasse ein Menü zu kochen (und damit den Auftrag, sich auf
diese Weise mit gesundem Essen zu beschäftigen).
Alle
Schüler kannten sich bereits mit eduScrum aus. Die Abläufe waren also bekannt.
Die
erste Stunde zum neuen Thema bestand daraus, das Thema zu überfliegen und Ideen
zu sammeln:
• Die Gruppe, die Chemie weiter
macht, hat z. B. Mindmaps erstellt, was sie schon alles über Chemie wissen
(Abb. 2)
• Die Gruppe der Kochenden hat
Essensvorschläge diskutiert.
In
der nächsten Stunde werden die folgenden Wochen (des Sprints) konkret geplant.
Zu jedem der folgenden Bereiche musste die Arbeit geplant werden:
• Theorie
• Praktische Arbeit
• Präsentation
• Bericht
Willy
hat dafür ein kurzes Handout erstellt, das den Kontext für die Aufgabe
herstellt und vor allem erklärt, warum man sich mit diesem Thema auseinander
setzt.
Willy
muss sich an die staatlichen Vorgaben zum Lehrplan halten. Daher werden auch
die vorgegebenen Schulbücher verwendet. Was Willy ergänzt sind Kontext und das
Warum. Wir haben uns das Material von früheren Einheiten angesehen. Um das
Thema Kosmetik im Schulbuch besser zu verstehen, bestand die praktische Aufgabe
darin, selbst Kosmetik herzustellen.
Für
die Arbeitsplanung wird ein Flipchart benutzt, auf dem alle wesentlichen
Informationen auf einer Seite dargestellt werden (Beispiel in Abb. 3):
• Titel
• Team
• User Storys und Aufgaben (bzw.
Akzeptanzkriterien) sowie Bearbeitungsstand
• Jede Aufgabe ist relativ
geschätzt. Die Schüler rechnen selbst aus, wie viel sie pro Unterrichtsstunde
abschließen müssen, um rechtzeitig fertig zu sein.
• Qualitätskriterien (Definition
of Done, Definition of Fun)
• Hindernisse
Jede
neue Stunde beginnt mit einem Standup vor dem Flipchart. Das war sehr
interessant zu sehen. Im Wesentlichen begrüßt Willy die Schüler und bittet sie,
ihre Standups zu machen. Nach ein paar Minuten ist das "Flip"
aktualisiert und jedes Team legt los. Am Ende der Stunde muss Willy sie darauf
hinweisen, dass die Stunde zu Ende ist.
Ab
und zu gibt es Punkte, die er für alle erklärt.
Wer
mehr zu den Abläufen wissen will, kann sich von der EduScrum-Webseite den eduScrum-Guide
herunterladen. Es gibt auch eine deutsche Version.
Die
Ergebnisse sind sehr interessant. Wir haben uns die Noten angesehen. Viele
Schüler haben ihre Noten deutlich verbessert. Was die Schüler schätzen ist,
dass sie autonom und selbstbestimmt arbeiten können. Sie schätzen die
gegenseitige Unterstützung. Sie wissen, dass das einen Preis hat, z. B. können
sie nicht immer mit ihren Freunden im gleichen Team sein und sie müssen auch
mit Konflikten umgehen. Sie finden es auch toll, ihr eigenes Tempo und ihre
eigenen Methoden zu finden.
Peter
hat eduScrum im Anschluss in seinen Trainings eingesetzt. Er hat ähnliche
Effekte festgestellt. Am Anfang ist es etwas chaotischer. Aber das Lernen ist
intensiver, nachhaltiger und macht mehr Spass. Während des Trainings muss man
nicht so viel reden.
Allerdings
steht und fällt der Erfolg mit der guten Vorbereitung der Anforderungen. Aber
das kennen wir ja auch aus Scrum.
Am
Scrum Day 2016 hält Willy mit seinen Schülern die Abschlussrede. Am nächsten
Tag gibt es die Gelegenheit, in einem Workshop eduScrum besser kennen zu
lernen. Mehr dazu auf dieser Webseite: http://www.scrum-day.de/eduscrum.html
Ich
bin ein Organisationsberater bei der Common Sense
Team GmbH und Trainer für Scrum Events (HLSC GmbH).
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